Aktuelle Ausschreibung 

Für das Sommersemester 2024 schreiben die Frauenbeauftragten der AdBK wieder einen Lehrauftrag aus.

 

Bewerber*innen für den Lehrauftrag der Frauenbeauftragten sollten sich ausdrücklich mit Fragen der Gleichstellung und Diversität vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Kunst befassen, eine sowohl theoretische als auch künstlerische Ausrichtung ist möglich. Bewerber*innen sollten über einen einschlägigen Hochschulabschluss sowie pädagogische Eignung verfügen. Die Bewerbungsfrist für den Lehrauftrag ist der 12. Januar 2024. Die Bewerbung findet in digitaler Form statt. 

 

Die Auswahl des Lehrauftrags erfolgt über die Frauenbeauftragten. Bewerbungen mit einem Lehrprojekt für das Sommersemester (eine Din A4-Seite) und einem Lebenslauf bitte per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! senden. Der eigenständige Lehrauftrag wird entsprechend der SWS und der an der Akademie üblichen Stundensätze vergütet.

 


Archiv      

Sommersemester 2023

Anne Brannys, Edith Kollath: “Hope Chorus” 

Critical thinking without hope is cynicism. Hope without critical thinking is naïveté.

Maria Popova 

 

„Hope Labour“ beschreibt un-/unterbezahlte Arbeit, die in der Gegenwart in der Spekulation auf ein berufliches Fortkommen in der Zukunft geleistet wird und fügt sich ein in neoliberale Skripte, in denen Verantwortung gänzlich auf das Individuum übertragen werden. Eine Verbreitung von Hoffnungsarbeit v.a. in künstlerischen Arbeitsbereichen liegt sicher auch daran, dass jene Berufe oft als „Berufung“ empfunden werden und trotz des oft geringen Einkommens gesellschaftlich hoch angesehen sind und über sie „kulturelles und soziales Kapital“ erwirtschaftet wird. 

 

Da Frauen einen großen Prozentsatz der im kulturellen Bereich beschäftigten Personen darstellen und gleichermaßen Personen mit einer langen Tradition in der Verrichtung unbezahlter (Care-)Arbeit sind, soll im Projekt die sogenannte „Hope Labour“ aus feministischer Perspektive betrachtet werden. Und damit das „Prinzip Hoffnung“ nicht als naive und passive Haltung, sondern als entwerfendes, also als ermächtigendes und emanzipatorisches Potential untersucht werden, welches verantwortungsvolles Handeln und Veränderung initiieren kann. Denn Hoffnungslosigkeit auf der anderen Seite, die angesichts gesellschaftlicher, ökologischer und politischer Entwicklungen entstehen kann, führt zu Resignation und Stumpfheit. Deshalb wird nach Möglichkeiten gesucht, wie ein Umdenken und Umpraktizieren von vereinzelter Hoffnung des Individuums zu einer kollektiv hervorgebrachten Hoffnung als gesellschaftsverändernde Kraft entstehen könnte. Das bedeutet, die Hoffnung über einen individuellen Affekt hinaus als (eine mögliche) gemeinschaftliche Praxis denken. 

 

Der Chor ist eine kollektive, künstlerische (Theater-)Figur mit einer lang zurückreichenden Tradition, die sich bereits in der Antike v.a. aus marginalisierten Stimmen (Frauen, Kinder, Sklaven) zusammensetzte. Im Projekt „Hope Chorus“ betrachten wir den Chor über seine Funktion als eine aus vielen Einzelnen zu einem Körper zusammengefasster Formation mit einer bestimmten Außenwirkung hinaus und in klarer Abgrenzung zu einer Vorstellung eines gleichgeschalteten Chorkörpers. Vielmehr wenden wir uns einer chorischen Praxis von intern fein abgestimmten, gemeinschaftlichen Produktionen zu. 

 

Protestbewegungen von Arbeitern sind oft mit chorischen Praktiken wie dem gemeinsamen Singen verknüpft, als vergemeinschaftende, emanzipatorische Praxis. Auffällig ist, dass diese Gesangsbewegungen und Sängerbünde fast ausschließlich männliche Teilnehmer hatten. Diese Leerstelle und ihr möglicher Zusammenhang mit dem Überhang weiblicher Hoffnungsarbeitender soll im Projekt „Hope Chorus“ künstlerisch untersucht werden.

 

Der Workshop umreißt also den theoretischen Rahmen und die performative Rolle der Hoffnung als Instrument einer dystopisch gezeichneten Zukunft zu begegnen und nähert sich dem Hoffen als einer kollektiven Praxis. Es richtet sich an Personen, die einen Beruf im kreativen Sektor anstreben, um die hier oft praktizierten Arbeitsbedingungen gemeinsam zu diskutieren und die Studierenden zu emanzipierten Entscheidungen zu befähigen. Im dezidiert künstlerisch-forschenden Workshop findet dabei eine Verschränkung von theoretischem Input (Lektüre, Interviews, Ausstellungsanalysen) und kreativem Output (Performances, gemeinschaftliche Produktion, künstlerische Reaktion auf Input) statt.

 

Sommersemester 2022

Mascha Salgado de Matos: "Strategien der Erinnerung: Feminismen im Kunstfeld vor dem Hintergrund post-kolonialer Strukturen und des „Nationbuilding“ Portugals seit 1974 bis heute"

 

Es gibt eine Vielfalt an Formaten, die Erinnerungskultur ausmachen, wie jüngst auch Jan Böhmermann in seiner bissig-ironischen Kritik am von SWR und BR geleiteten Instagram-Profil #ich bin sophie scholl veranschaulicht (Sendung: Das Problem mit deutscher Erinnerungskultur, am 18.02.2022). Wenngleich der historische Kontext dieses Seminars ein anderer sein wird, sehen wir uns mit den gleichen Fragen konfrontiert: Welche Formen des Erinnerns gibt es? Damit aber auch: Welche Formen des Vergessens gibt es, die denen des Erinnerns vorausgehen, sie begleiten oder bedingen? Inwieweit bestimmt die Materialität des Erinnerns das jeweilige kulturelle Gedächtnis?

 

Ausgangs-und Knotenpunkte des Seminars werden ausgewählte Arbeiten zeitgenössischer portugiesischer Künstlerinnen sein, die Praxen der Erinnerung als künstlerische Prozesse verhandeln. Trotz der Heterogenität der Strategien, Techniken und Medien, die dabei zum Einsatz kommen, eint die Positionen der Verweis auf die jüngere Geschichte Portugals im Zusammenhang mit dem Prozess des Nation Buildings. Mit der Nelkenrevolution am 25.April 1974 endete in Portugal nicht nur die Militärdiktatur des „Estado Novo“, sondern auch die Kolonialherrschaft Portugals in Afrika. Die Transformation gesellschaftlicher Strukturen in die einer Demokratie vollzog sich zeitgleich mit der politischen Unabhängigkeitswerdung von Angola, Moçambique, Guinea-Bissau und Kap Verde. Letztere wurden von Unruhen und Bürgerkriegen begleitet, neue Diktaturen in afrikanischen Ländern entstanden. Die instabilen politischen Verhältnisse, Gewalt und die prekäre soziökonomische Lage in den neu formierten Staaten trieb viele lusophone Menschen in die Grenzen der ehemaligen Kolonialmacht. So wandelte sich das Bild von Portugal als letzter autoritärer Diktatur mit klerikal-faschistischen Zügen in der Geschichte Europas zu einem Ankunftsland mit einer heterogenen Bevölkerungsstruktur. In diesem Seminar werden Bedeutung und Konstruktion von Nation aus feministischer Perspektive hinterfragt. Diese ermöglicht das Zusammendenken von marginalisierten Geschichten, Körpern und Identitäten. Die künstlerischen Positionen und theoretischen Diskurse spiegeln Topoi der wartenden, passiven Frau, der Scham, männlicher (politischer) Dominanz und hinterfragen so Narrative und Archive der Nation. Die Auswahl der zu diskutierenden künstlerischen Positionen mit Schwerpunkt auf die bildenden Künste vereint Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen. Die einzelnen Positionen treten in eine „intergenerationelle Langzeitkommunikation“ (Assmann 2020) und verweben sich mit der Pluralität der Stimmen im zeitgenössischen feministischen Diskurs, der über den portugiesischen Kontext hinaus diskutiert werden soll.

 

 

Sommersemester 2021

Fanti Baum: "Black Feminist Poetic Thinkers"

Ein Lektüreseminar zu Audre Lorde, Christina Sharpe und Saidiya Hartman 

 

The white fathers told us, I think therefore I am; and the black mothers in each of us – the poet – whispers in our dreams, I feel therefore I can be free. Poetry coins the language to express and charter this revolutionary awareness and demand, the implementation of that freedom.

Audre Lorde

 

the black mother […] – the poet – whispers in our dreams, I feel therefore I can be free – dieses Verständnis von Poesie stellt Audre Lorde einem weißen Denken des I think therefore I am entgegen. Mehr noch begreift Audre Lorde Poesie – hier vielleicht verstanden in ihrem weitesten Sinne als künstlerische Praxis – als „vital necessity of our existence“ und Voraussetzung für Freiheit: Poetry is not a luxury. It is a vital necessity of our existence. It forms the quality of the light within which we predicate our hopes and dreams toward survival and change, first made into language, then into idea, then into more tangible action. Poetry is the way we help give name to the nameless so it can be thought. The farthest horizons of our hopes and fears are cobbled by our poems, carved from the rock experiences of our daily lives. Jene Vorstellung von Poesie – nicht als Traum oder Vision, sondern als „skeleton architecture of our lives“ (Lorde) begreift die Saidiya Hartmann als das Entscheidende Schwarzer feministischer Poesie – und genau jener Moment prägt wohl auch auf besondere Weise ihr eigenes Denken und Schreiben. Schwarze Feministinnen, ergänzt Christina Sharpe, „destroy the world as it is, and imagine, make possible, and make present, all of these ways, the kinds of worlds that we want to inhabit“. 

 

Das Seminar black feminist poetic thinkers wendet sich vor dem hier skizzierten Hintergrund drei feministisch poetischen Denkweisen zu, die nicht zuletzt mit ihrem besonderen – einem beinahe nicht-akademischen – Schreiben über Schwarzes Leben in the wake of slavery (Christina Sharpe) den Diskurs in der zeitgenössischen kritischen Theorie wie in der zeitgenössischen Kunst prägen oder vielmehr umkehren, verkehren, in ihren kritischen Fabulationen (critical fabulation, Saidiya Hartman) von der Position des Ungedachten schreiben (writing from the position of the unthought) – dessen Ausgangpunkt vor allem weibliches Leben ist. Dem feministischen Denken von Audre Lorde, Christina Sharpe und Saidiya Hartman wollen wir im Seminar nachspüren, uns in einem thinking withoder einem thinking in presence of  üben – und das heißt zugleich sich radikal zu vergegenwärtigen, dass die westliche Philosophie das Subjekt als radikalen Ausschluss von und als Gewalt gegen Schwarzes Leben denkt.

Das Seminar möchte neben der Lektüre unbedingt auch fragen, wie dekoloniale Praktiken in den Künsten aussehen oder aussehen könnten. Welche künstlerischen Mittel kommen in den vielfältigen Praktiken zum Einsatz – im Vorhaben weiße Institutionen (Museen, Musikorte, Theater, Archive, Kunstakademien) zu dekolonialisieren oder wenn sie fern davon wirken? Und nicht zuletzt: Was ist uns – in aller möglichen Unterschiedlichkeit –, die wir an einer weißen, europäischen Kunstakademie studieren und lehren, mit diesem Denken aufgetragen? Wie können wir mit-denken, ohne Schwarzes feministisches Denken zu vereinnahmen? Und: Inwiefern wirkt zu allererst das eigene Denken und Sprechen gewaltsam? Wie gelingt es über koloniale Gewalt zu reflektieren, ohne diese zugleich zu reproduzieren? 

 

Teilnahmevoraussetzung und Leistungsnachweis: Es braucht die Bereitschaft längere Texte auf Englisch zu lesen. Diskussionen finden vornehmlich auf Deutsch statt, können sich aber auch bilingual (deutsch und englisch) ereignen.

 

Zur allgemeinen Einführung sei empfohlen: Natasha A. Kelly (Hg.) Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte. Münster: unrast 2019, aber auch: Liepsch, Warner, Pees: Allianzen. Kritische Praxis an weißen Institutionen. Bielefeld: transcript 2018

 

 

Wintersemester 2020

Yana Eva Thönnes: "Full Surrogacy Now"

 

"Where pregnancy is concerned, let every pregnancy be for everyone. Let us overthrow, in short, the family." Schwangerschaft ist immer noch ein ungelöstes Problem. Das Seminar “Full Surrogacy Now” wird sich mit dem Mythos Mutterschaft beschäftigen, indem es eine Gegenfigur analysiert: Die Leihmutter. Anhand der Lektüre von “Full Surrogacy Now - Feminism Against Family” von Sophie Lewis werden wir verschiedene Themen rund um das Phänomen Leihmutterschaft beleuchten: Surrogacy (von lat surrogare: ersetzen) interessiert uns zunächst als Phänomen der bezahlten Reproduktionsarbeit, welche in neoliberale Machtgefälle entlang von Gender, Klasse, Race und Kaste verstrickt ist.

 

In der Untersuchung der Mechanismen, die reproduktive globale Ungleichheiten hervorbringen, werden wir den Markt rund um den “Traum vom genetisch verwandten Kind” sondieren: Fallstudien von indischen sogenannten Baby-Farmen und die globalen Wege von Eizellen, Spermien, den sogenannten commissioning parents und Leihmüttern dienen uns als Grundlage, um das ökonomische Feld zu verstehen. Schließlich fokussieren wir uns auf die Arbeit der Leihmütter selbst, die sich zwischen Affektkontrolle, emotionalem Management, ständiger Verfügbarkeit und Stigmatisierung abspielt.

 

Im zweiten Teil des Seminars soll der Mythos Mutterschaft als Darstellungsthema der jüngeren Kunstgeschichte sowie zeitgenössischer Positionen beleuchtet werden. Abschließend gilt es  zu diskutieren, wie Leihmutterschaft als theoretische Figur und als Praxis ihr queeres Potential entfalten und patriarchale, kapitalistische Konstruktionen von Familie auf den Kopf stellen kann - und nicht zuletzt, wie wir als junge Künstler*innen mit der Frage von Elternschaft persönlich konfrontiert sind.